Ein Tscheche wird zum Erzgebirger

Petr Bielesz ringt seine zehnte Saison in Thalheim

Ein gut aufgelegter Petr Bielesz beim Heimkampf gegen Gelenau (Foto: Hartmut Puls). - [KLICK zum Vergrößern!]Welche Auszeichnung muss es für einen Sportler sein, als "Mister Zuverlässig" betitelt zu werden? Genau diesen Ruf erarbeitete sich Petr Bielesz vom Ringerverein Thalheim, der mittlerweile seine zehnte Saison für die Mattenfüchse aus dem Zwönitztal in der 2. Bundesliga bestreitet. "Das ist sicher einmalig unter ausländischen Sportlern", ist der Vorsitzende der Thalheimer, André Schmidt, wie so viele RVT-Fans, von dieser Tatsache fasziniert. Selbst viele deutsche Athleten haben da wohl im Mittel eine höhere "Wechselfrequenz".

Ringer-Verwandtschaften

Als 25-Jähriger kam der Spezialist für den griechisch-römischen Stil von Jena ins Erzgebirge. Die Sprache war ihm damals noch recht fremd. Mittlerweile könnte und kann sich der nun 34-Jährige mit jedem im Sportlerheim der Drei-Tannen-Stadt eine ganze Weile unterhalten. "Er ist fast ein Erzgebirger geworden", schildert Ralf Faulhaber, Vize-Chef des RVT, das gute Verhältnis. So blieben auch Einladungen ins Böhmische nicht aus. Erst Anfang Oktober reisten einige Thalheimer zur Kneipe von Vladimir Campr, der ebenfalls viele Jahre seine Ringerstiefel für den Zweitligisten schnürte. Zu feiern gab es dort die WM-Bronzemedaille des Schwagers von Petr Bielesz, dem Ex-Auerbacher und jetzt für Luckenwalde startenden Petr Svehla.

Kein Olympia-Traum

Begonnen hatte Bielesz als Neunjähriger in seiner mährischen Heimat mit dem
Ringen. Sein großer Bruder, der selbst schon eine Weile rang, hatte ihn damals mitgenommen. Nebenbei spielte er die beiden Nationalsportarten der Tschechen - Fußball und Eishockey. Nach zwei Jahren stellten sich die ersten Ringkampferfolge ein. Mit 18 kam Petr Bielesz erst relativ spät an einen professionell organisierten Club im slowakischen Trentschin, wo er nach eigenen Aussagen auch seine schönsten Jahre verlebte. Schnell kletterte er die Erfolgsleiter nach oben und war 1990 bereits Vierter der Junioren-Europameisterschaft. Drei Jahre später nahm er dann das erste Mal an einer Männer-EM teil. "Da hatte ich keinen Druck und war frei im Kopf", nennt er einige Ursachen für den hervorragenden vierten Rang in Instanbul. Im kleinen Finale unterlag er damals dem Olympiasieger und Weltmeister Madshidov (Weißrussland). Zur Teilnahme an den Olympischen Spielen hatte es leider nie gereicht. Einmal war er nah dran am olympischen Traum, als er 1996 einem Russen im entscheidenden Qualifikationskampf mit 1:3 unterlag.

König der Ausheber

Einer der spektakulären Würfe vom Petr Bielesz 2002 gegen den Pausaer Sandro Morgner. - [KLICK zum Vergrößern!]1994 kam Bielesz über einen Freund, der in Frankfurt (Oder) mit MaikBullmann trainierte, nach Deutschland. Seinen Wechsel 1996 nach vom TuS Jena nach Thalheim hat er nie bereut: "Die Leute aus dem Verein und die Fans sind super, es ist alles wie eine große Familie", wird der "Ausheber-König" wohl kaum noch einmal woanders unterschreiben wollen. Diesen zweiten Beinamen erhielt er für seine oft spektakulären Überwürfe, die schon so manchen Gästetrainer im Thalheimer Sportlerheim den Mund offen stehen ließen.

Beeindruckende Bilanz

Allein die Thalheimer Bilanz von "Mister Zuverlässig" seit der 2001er Saison liest sich beeindruckend: In dieser Zeit holte Bielesz für den RVT insgesamt 84 Siege und verlor nur dreimal. Die Niederlagen erlitt er jeweils gegen seinen Landsmann Ondrej Jaros, der für den RSK Gelenau die Ringerstiefel schnürt. Gegen ihn gewann er seither jedoch auch fünfmal - zuletzt wieder beim brisanten Erzgebirgsderby vor knapp 600 Zuschauern im Thalheimer Sportlerheim. Doch nicht nur die nackten Zahlen lassen die Fans schwärmen. Petrs Kampfstil und der damit verbundene Erfolg sorgen immer wieder für Verwunderung. "Es sieht alles so leicht aus, als würde kaum eine Anstrengung dahinterstecken", erzählt begeistert Thalheims Coach Jochen Schwarzer, dem die Aktionen des Tschechen oft hervorragendes Anschauungsmaterial im Training sind.

Technik und Körpergefühl

Bielesz ist beileibe kein Muskelprotz. Er ringt vor allem mit seinem ausgefeilten Gefühl für Techniken, Taktik und seinen Körper. Und gerade das sind Eigenschaften, die er auch dem Nachwuchs gut vermitteln kann. 1997 und 98, als man beim damaligen SV "Tanne" keinen festen Übungsleiter hatte, kam Petr zeitweise sogar zum Nachwuchstraining nach Thalheim, um die einheimischen Jugendtrainer zu unterstützen. Ob sein sechsjähriger Sohn Jakub einmal in seine Fußstapfen treten möchte, ist jedoch ungewiss. "Jakub geht zwar gern mit mir zum Training, aber selbst traut er sich noch nicht so recht", wartet Bielesz gern noch etwas ab, bis die Leidenschaft fürs Ringen vielleicht auch in seinem eigenen Nachwuchs entflammt

Holger Hähnel, 1.12.05.